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Zum Tag der Rückengesundheit !

Sicher haben Sie inzwischen auch schon gehört, dass Mediziner nur bei jedem fünften Rückenschmerz-Patienten eine eindeutige Ursache finden. Alle anderen Geplagten leiden unter sogenannten "unspezifischen" Rückenschmerzen, so lautet das Medizinerdeutsch.

 

Auch wenn mit einem bildgebenden Verfahren ein Bandscheibenvorfall oder eine andere ungute Veränderung der Wirbelsäule festgestellt wird, muss diese nicht Auslöser des Schmerzempfindens sein. Kein Wunder, dass zwei Drittel der Bandscheiben-OPs den Patienten keine Linderung bringen. 

 

Umgekehrt stellt sich die Frage, wieviele Menschen degenerative Veränderung im Bereich des Rückens haben, ohne irgendetwas davon zu bemerken. So hat eine Vergleichsstudie mit MRT-Untersuchungen an schmerzfreien Menschen gezeigt: Nur etwa 40 Prozent von ihnen hatten KEINE Verschleißerscheinungen an Wirbeln, keine Vorwölbung und keinen Bandscheibenvorfall. Ob das repräsentativ ist, lässt sich schwer einschätzen. 

 

Faszien können Schmerz signalisieren

Mittlerweile scheint klar zu sein, dass Rückenschmerzen in vielen Fällen mit Veränderungen von Faszien zusammenhängen. Am besten erforscht ist das für die Lumbalfaszie des Rückens. Wie alle Faszien ist sie mit vielen Mechano-Rezeptoren bestückt, die auf Druck und Zug reagieren. Interessant ist die besonders hohe Dichte an Freien Nervenendigungen - sie können sowohl für die Körperwahrnehmung (Propriozeption) arbeiten als auch Schmerz signalisieren. Schmerzforscher wie Siegfried Mense von der Uni Heidelberg gehen davon aus, dass Mikroverletzungen und in der Folge eine Verdickung und Verfilzung in der Lumbalfaszie zu akuten und chronischen Rückenschmerzen führen können. 

Die Wirbelsäule ist keine Säule

Der Begriff "Wirbelsäule" führt in die Irre und impliziert, die Wirbelkörper seien wie Bauklötze übereinander geschichtet und trügen Gewicht wie die Säulen eines antiken Tempels. Nach dieser Denkweise würde das Gewicht des Kopfes (5 bis 6 Kilogramm) auf der Wirbelsäule lasten und das Gewicht von Schädel und Oberkörper auf der Lendenwirbelsäule. Diese Sichtweise aber ist schlichtweg falsch. Unsere Wirbelsäule ist keine tragende Säule, sondern eine höchst bewegliche Wirbelkette, in der die knöchernen Wirbelkörper in ein Netzwerk aus zahlreichen kleinen Muskeln, Bändern und anderen Faszienstrukturen eingespannt sind.

Links sehen Sie die Wirbelsäule als sogenanntes Tensegrity-Modell. Dieses Bauprinzip lässt sich auf den gesamten Körpers übertragen. Bei Interesse lesen Sie weiter > Tensegrity: Körperarchitektur neu gedacht. Die Spannungsverhältnisse in diesem Netzwerk aus Muskeln und Faszien sind entscheidend dafür, wie beweglich die Wirbelkörper sind und wie gesund die ganze "Säule" im Lauf des Lebens bleibt. Dabei spielen allerdings auch die umliegenden Körperbereiche eine Rolle - zum Beispiel die Organe, die mit Bändern an der Wirbelsäule "aufgehängt" sind oder das Zwerchfell, das ebenfalls an der Wirbelsäule ansetzt. Ganz ehrlich: Die gesamte Körperstruktur muss betrachtet werden, wie wir es beim Rolfing tun. Wenn die Füße und Beine den Körper nicht optimal unterstützen, Schonhaltungen sich verfestigt haben, kann auch das zu Rückenbeschwerden führen. Nochmal zurück zu den Bandscheiben: Im Idealfall müssen sie - entgegen landläufiger Meinung - kaum Druckbelastung aushalten. Denn im Idealfall werden die Knochen wie überall im Körper ausreichend auf Abstand gehalten.

Faszien spielen eine tragende Rolle

Je weiter wir uns nach vorn und unten beugen, desto mehr Haltearbeit leisten die Faszien. Die Aktivität der Muskeln nimmt dementsprechend ab. Die große Lumbalfaszie kann mit stärkeren Zugkräften aber nur umgehen, wenn sie dafür auch "trainiert" ist. Ihr Netz aus Kollagen- und Elastinfasern muss stabil gewebt sein. Das ist nur dann der Fall, wenn wir uns regelmäßig und abwechslungsreich bewegen. Haben wir das nicht getan oder aber die Lumbalfaszie durch einseitige Belastung übermäßig beansprucht, kann es schon bei einer völlig unspektakulären Bewegung zu Schmerzen/zum Hexenschuss kommen. Je mehr Mikroverletzungen die Faszie durchgemacht hat, desto dichter, unbeweglicher und verletzungsanfälliger ist sie.

 

Übung zum Trainieren der Lumbalfaszie

Sie beugen sich nach vorn und lassen Ihren Oberkörper entspannt hängen. Nun fangen Sie an, das ganze Gewicht Ihres Oberkörpers nach unten und oben federn zu lassen. Die Finger wollen zum Boden, aber federnd. Sie sollten spüren, dass Sie keine Muskelkraft brauchen, sondern immer wieder komplett loslassen und mit leichtem Schwung von selbst wieder etwas nach oben kommen. Jetzt variieren Sie Richtung und Winkel: Mal wollen die Finger links ihrer Körpermitte zum Boden, mal rechts, mal will eine Hand weiter vor als die andere und umgekehrt. Diese einfache Übung regt Ihre Rückenfaszie an, sich so umzubauen, dass sie auf wechselnde Anforderungen gut vorbereitet ist. 

 

Kleine morgendliche Übungssequenz

Mein geschätzter Rolfer-Kollege und Faszienexperte Markus Roßmann stellt hier eine etwa zehnminütige, einfache Übungssequenz vor, die unter anderem gut für den Rücken ist. Dabei wird auch der Bauchmuskel angesprochen, der wichtiger als jedes Sixpack ist: Der Transversus abdominis. Markus nennt ihn sogar den wichtigsten Rückenmuskel. 

Auch wenn Sie morgens noch etwas steif sind - es fühlt sich wirklich gut an! > zum Video